Whiplash-©-2014-Viennale(3)

Whiplash

8
Drama

Ein eifriger, junger Schlagzeuger sieht sich mit einem tyrannischen Lehrer konfrontiert. Was wie ein banaler Coming-of-Age Streifen klingt, ist im Falle von Whiplash eine intensive tour de force für alle beteiligten.

Andrew (Miles Teller) lernt Schlagzeug an einer von New Yorks renommiertesten Musikschulen und möchte, um der bestmögliche Schlagzeuger zu werden, unbedingt in die Gruppe von Ausbildner Fletcher (J.K. Simmons) aufgenommen werden. Um seine Ziele zu erreichen trainiert er und vergießt im wörtlichen Sinne Blut, Schweiß und Tränen. Aber auch Fletcher ist bestrebt das Äußerste aus seinen Schülern herauszuholen und zwar mit jeden nur erdenklichen Mitteln, egal ob freundlich, despotisch oder schlichtweg brutal. Ihm ist jeder Weg recht um das ganze Potenzial, vor allem von Andrew, zutage zu fördern. Andrew wiederum ordnet sein ganzes Leben dem einen Ziel unter ein großer Schlagzeuger zu werden und zerbricht beinahe daran – und an Fletcher.

 

Whiplash klingt seiner Beschreibung nach wie ein oft gesehener, abgedroschener Erziehungsplot. Was Drehbuchautor und Regisseur Damien Chazelle jedoch daraus macht, ist alles andere als abgedroschen. Basierend auf seinem eigenen, gleichnamigen Kurzfilm ist Whiplash schlichtweg mitreißend und fesselnd. Von der ersten Sekunde an wird der Zuschauer gepackt und bis zum berauschenden Finale nicht mehr losgelassen. Sowohl Drehbuch als auch Regie des erst 29 jährigen (!) Filmemachers sind erstklassig und lassen schon jetzt auf eine große Zukunft hoffen. Selbstbewusst inszeniert er eine simple Geschichte mit komplexen, glaubwürdigen Figuren, die in keiner Sekunde billige Klischees bedient, sondern trotz ihres geradlinigen Handlungsgerüsts immer wieder Überraschungen parat hält.

Wie man schon vermuten kann, spielt in Whiplash natürlich auch Musik eine große Rolle. Chazelle passt den visuellen Stil an die jeweils ausgewählten Nummern und die der Geschichte entsprechenden Dynamik an. Dadurch verbindet sich die Musik auf organische Weise mit der visuellen Erzählung. Die größte Offenbarung des Films sind jedoch die Schauspieler. Miles Teller und J.K. Simmons schenken sich absolut nichts. Im Verlauf entwickelt sich ein Psycho-Duell zwischen den beiden von ihnen verkörperten Figuren, das in jüngster Zeit seines gleichen sucht. Beide Darsteller verleiben sich ihre Rollen bis zur Perfektion ein – ähnlich wie Andrew und Fletcher stets nach Prefektion streben – wodurch es beinahe unmöglich scheint zu sagen, wo die Figur aufhört und der Schauspieler beginnt. Beide Leistungen sind derart beeindruckend, dass man sich unmöglich andere Schauspieler in den Rollen vorstellen kann, gleichzeitig hat man nie das Gefühl, dass die beiden “nur spielen”. Manchmal wirkt Whiplash beinahe beängstigend glaubwürdig.

Das wird einem nach dem Ende, während dem Abspann und sobald das Licht im Saal wieder angeht schmerzhaft bewusst. Whiplash ist unterhaltsam, auf alle Fälle, aber er ist auch fordernd und durchaus verstörend. Nicht auf einer grafischen, visuellen Ebene, sondern – und dadurch womöglich um Welten schlimmer – auf einer zutiefst emotionalen und psychischen Ebene. Obwohl es an sich als Drama eingeordnet wird, könnte man den Film auch ohne weiteres als einen überaus realistischen Psycho-Thriller bezeichnen, der gerade wegen seiner Alltäglichkeit der Geschichte und seinen nachvollziehbaren Figuren umso erschütternder wirkt.

Mit Whiplash hat Damien Chazelle ein großartiges Werk erschaffen, das viel Aufmerksamkeit verdient. Es ist zwar wahrlich kein leicht verdaulicher Film, aber dennoch ein enorm unterhaltsamer und in gewisser Weise befriedigender Film. Mit keinem Superhelden der gegenwärtigen Kinolandschaft fiebert man so mit, wie mit Miles Tellers Andrew. Kein Antagonist kommt so bedrohlich und angsteinflößend daher wie J.K. Simmons Fletcher. Und kein Film in jüngster Zeit ist derart sehenswert wie Whiplash.

Regie und Drehbuch: Damien Chazelle, Darsteller: Miles Teller, J.K. Simmons, Paul Reiser, Melissa Benoist, Austin Stowell, Filmlänge: 107 Minuten, Kinostart: 20.02.2015, gezeigt im Rahmen der Viennale 2014