Gravity-©-2013-Warner-Bros.(1)

Gravity

8
Sci-Fi Drama

Life in Space is Impossible” – mit dieser Einleitung schickt Regisseur Alfonso Cuarón die Zuseher in Gravity auf eine spektakuläre Tour ins Weltall.

Ganze sieben Jahre ließ der mexikanische Filmemacher das erwartungsvolle Publikum auf sein Nachfolgeprojektes zum überaus erfolgreichen Endzeit-Thriller Children of Men warten, nun ist das schon vorab hochgelobte Drama im Weltraum (der Film eröffnete die diesjährigen Filmfestspiele von Venedig) auch in den heimischen Kinos zu sehen.

Mit einer stimmungsvollen, scheinbar unendlich langen Kamerafahrt aus den Tiefen des Alls kommend und in Richtung Erdball schwenkend wird auf ein sich langsam näherndes Objekt fokussiert. Eine dreiköpfiges NASA-Team wird sichtbar, welches sich an der Reparatur eines defekten Teleskops versucht: Der erfahrene Haudegen Kowalski auf seiner letzten Außenmission (nonchalant wie immer: George Clooney); die von ihrer kräfte- und konzentrationsraubenden Umgebung überforderte Astronautin Ryan Stone (Sandra Bullock) sowie ein weiterer, nicht näher definierter “Mission Specialist” (Paul Sharma). Doch der vermeintliche Routine-Einsatz gerät schnell außer Kontrolle, als ein sich rasch nähernder Schauer aus Satelliten-Trümmern das Teleskop und auch das Space-Shuttle des Teams kurzerhand pulverisiert. Mitten in der dunklen Einöde, mit begrenztem Sauerstoffvorrat und ohne Kommunikationsmöglichkeiten zur Bodenstation, entbrennt so ein erbitterter Kampf ums Überleben der Astronauten.

Schon bei den ersten Trailern war ersichtlich, das hier wohl ein Spektakel sondergleichen zu erwarten ist: Nichts weniger als ein technisches Meisterwerk stellt Gravity dar, was angesichts des vergleichsweise mageren Budgets (etwa 80 Millionen Dollar) schon eine Meisterleistung an sich ist. Anders als in vergleichbaren Produktionen wurden hier für die Aufnahmen Live-Action Sequenzen in einer speziellen, mit LED-ausgestatteten “Light Box” mit digital generierten Figuren der Protagonisten kombiniert, bei den Innenaufnahmen kamen unter anderem (selbstfabrizierte) Zugmaschinensysteme zu Einsatz, um den Effekt der Schwerelosigkeit zu simulieren.

Genauso mühe- und auch schwerelos wie das Astronautengespann Clooney/Bullock selbst lässt Kameravirtuose Emmanuel Lubezki, bekannt durch seine Arbeit bei Terrence Malicks The New World, Tim Burtons Sleepy Hollow oder eben Cuaróns Children of Men, hierbei die Kamera durch den Raum gleiten. Ob rasante Flugmanöver bei ständig wechselndem Blickfeld samt intendierter Orientierungslosigkeit oder intimeren Aufnahmen, die schon mal den Sichtschutz des Helms der Protagonistin durchstoßen: Das hier ein technisch neuer Level an Aufnahme- und Effektetechnik den Zuseher in Staunen versetzt, scheint kaum abstreitbar zu sein. Im Angesicht eines wunderbaren, ununterbrochenen, knapp 15 minütigen Tracking-Shots schon zu Beginn des Films wundert es also kaum, das auch Spezialeffekt-Fetischist James Cameron (Terminator, Avatar) in einem Kommentar zu Gravity diesen als besten Film in diesem Setting bezeichnet (und das nicht nur aus technischer Sicht).

Anders als so viele jener Thriller, Dramen, Action- oder Horrorfilmvariationen, deren Setting ein Extraterrestisches darstellen soll, spielt sich der Handlungsverlauf von Gravity zudem überraschenderweise nicht vorwiegend in steril-futuristischen oder düster ausgeleuchteten, oftmals zudem noch beengenden Innenräumlichkeiten ab, sondern versetzt Figuren samt Zuseher in die grenzenlose Einöde des Weltalls – mit spektakulärem Blick auf die Erde.

In seinem siebenten Spielfilm (u.a. Y tu mamá también, Harry Potter and the Prisoner of Azkaban) verblüfft der mexikanische Regisseur von Beginn weg in mehreren Belangen: Zum einen mit der Tatsache, das Gefühl anhaltender Schwerelosigkeit so perfekt auf den Zuseher zu übertragen, zum anderen mit einer extremen Reduktion des Handlungsverlaufs und der darin agierenden Figuren. Interessant erscheint bei letzterem Aspekt die daraus folgende (gezwungenermaßen) kammerspielhafte Fokussierung auf die Hauptfigur: Emotionale Bindungen werden angeschnitten, aber handlungsbedingt kaum weiterverfolgt – überaus wenig ist über die beiden zentralen Charaktere in Gravity bekannt. Das dies bei etwas mehr als 90 Minuten Laufzeit und der actiongeladenen Tour de Force, die Bullocks Figur darin durchläuft, fast vorprogrammiert ist, hinterlässt dabei doch einen etwas schalen Nachgeschmack.

So beschreibt Regisseur Cuarón seinen Film zwar treffend als “Metapher für die Hindernisse in unserem alltäglichem Dasein”, lässt dabei aber immer wieder zu, das die wenigen Dialog- und Monologpassagen recht platte Sprüche (“Nobody ever taught me how to pray”, “Houston, I have a bad feeling about this mission”) aufbieten und einige überaus inhaltsschwangere Bildern (etwa eine halb entblätterte Sandra Bullock in einer schwebenden Fötus-Position als Sinnbild für eine Wiedergeburt) die angestrebte Intention dem Zuseher fast aufzwingen. Natürlich sind Isolation, Einsamkeit und Verlust, aber auch Glaube sowie Hoffnung als treibende emotionale Kräfte innerhalb der minimalistischen Handlung ständige Wegbegleiter und -bereiter, etwas mehr stilistische Zurückhaltung wäre allerdings zielführender gewesen – eine emotionale Bindung mit der skizzenhaft dargestellten Hauptfigur wird nämlich kaum erreicht.

So stellt Gravity vor allem eine technische Meisterleistung dar, die seinesgleichen sucht. Sandra Bullock glänzt mit einer überzeugenden Darstellung ihrer unterentwickelten Figur – die wahre Hauptrolle spielt aber sowieso das überwältigende Effektspektakel selbst. Visuell gibt es kaum vergleichbares; jede Einstellung, jede Szene und jede Kamerafahrt wurde perfekt und wahrlich atemberaubend inszeniert sowie technisch virtuos umgesetzt. Letztendlich wird der Zuseher zwar in den eindringlichen Bann von Gravity gezogen – allerdings kaum auf emotionaler Ebene.

Regie: Alfonso Cuarón, Drehbuch: Alfonso Cuarón, Jonás Cuarón, Darsteller: George Clooney, Sandra Bullock, Ed Harris, Laufzeit: 93 Minuten, Kinostart: 04.10.2013, gravitymovie.warnerbros.com