Jack-and-Diane-©-2012-Viennale

Jack and Diane

6
Romanze

Die erste große Liebe. Das ist ein Gefühl, das einen unter den richtig falschen Umständen verschlingen kann wie ein garstiges, blutrünstiges, lüsternes Ungetüm. Und ehe man sichs versieht verspeist das grauenerregende Monster in tiefster Nacht genüsslich ein Organ, das es dem oder der verzweifelt Liebenden soeben aus dem Leib gerissen hat…

Dass die amerikanische Indie-Romanze „Jack and Diane“ zwar zu großen Teilen, aber eben nicht nur auf zuckersüßes Vergnügen setzt, das verrät bereits ein schaurig animiertes Titel-Design – bestehend aus geflochtenem Haar und begleitet von unheilvollem Dröhnen. Und tatsächlich, gleich in der ersten Szene springt einem der groteske Horror hier auf unmanierlichste Weise ins Gesicht, beinahe so als wäre Mara Mattuschka, die Altmeisterin der experimentellen Körper-Deformations-Filmkunst, höchstpersönlich über das oftmals viel zu niedliche US-Independent Kino hergefallen und hätte es mit einer Ladung Wahnsinn und pulsierenden Eingeweiden infiltriert.

Dabei ist die Geschichte, die Regisseur Bradley Rust Gray in seinem dritten Langfilm entfaltet weder neu noch sonderlich komplex. Die unerfahrene Diane trifft in einem heißen New Yorker Sommer auf die burschikose Jack. Ein Feuerwerk aus sprühenden Funken. Auf die Nacht der großen Leidenschaft folgt das bittere Erwachen, denn Diane wird schon in wenigen Tagen das Land verlassen.

Die Freuden und Schrecken der ersten großen, sowie in diesem Fall lesbischen Liebe hat man im Kino schon tiefgründiger und vor allem auch schlüssiger verfilmt gesehen. Gray setzt mehr auf ein möglichst spleeniges Flair als auf Handlungslogik und verrennt sich dabei leider hin und wieder in etwas zu platt geratenen „Nebenszenen“, mit denen man nichts anzufangen weiß – so etwa der Gastauftritt von Kylie Minogue, die zusammen mit der isländischen Band Múm auch am Soundtrack mitwirkte.

Trotz einiger dramaturgischer Schwächen triumphieren in „Jack and Diane“ dann aber doch die mal bestechlich charmante, mal haarsträubend monströse Verrücktheit sowie das Spiel von Elvis Presley-Enkelin Riley Keough und der britischen Darstellerin Juno Temple, die übrigens auch im Viennale-Film „Killer Joe zu sehen war. Einer Filmfigur wie Diane, die vor lauter Liebeswirren aus sämtlichen Körperöffnungen blutet und selbstgebastelte Kleidchen mit Plüsch-Verzierung trägt, oder wie Jack, die sich nach außen so taff gibt, jedoch auf ihrem Walkman (!) heimlich die Flying Pickets – Version von „Only You“ im Dauerloop hört, kann man einfach nur schwer widerstehen.

Für die fleischig-schaurigen Animationssequenzen ließ Bradley Rust Gray übrigens zwei der hervorragendsten Stop Motion Filmemacher aller Zeiten, die Quay Brothers, Hand anlegen – und das war in der Tat eine weise Entscheidung.

Regie und Drehbuch: Bradley Rust Gray, Darsteller: Juno Temple, Riley Keough, Cara Seymour, Kylie Minogue, Laufzeit: 110 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale V’12