Minecraft-©-2011-Markus-Persson,-Mojang

Minecraft

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DIY-Adventure

Der erste Eindruck mag täuschen: „Minecraft“ bricht mit festgefahrenen Strukturen und stellt damit eindrucksvoll die gesamte Spieleindustrie auf den Kopf.Was macht ein gutes Spiel aus? Spannende Handlung, herausragende Grafik, ständige Herausforderung? Drei Qualitäten, die man bei „Minecraft“ vergeblich sucht. Aber „Minecraft“ bietet etwas, das bisher in keinem anderen Spiel so konsequent umgesetzt wurde: Freiheit. Das mag jetzt unnötig pathetisch klingen, ist aber wohl die treffendste Zusammenfassung in einem einzelnen Wort. „Minecraft“ beginnt (im populären „Adventure“-Modus) mit dem namenlosen Protagonisten, der sich, ohne Werkzeug, ohne Ressourcen, aber vor allem ohne jegliche Begleiter, an einem Strand wiederfindet. Es folgt keine Erklärung, bis auf ein paar Hinweise zur Steuerung sucht man Hilfe vergebens.

Durch „Trial and Error“ (oder hilfreiche YouTube-Videos, die es zuhauf gibt) fällt man seinen ersten Baum, bastelt sich Werkzeug und einen Arbeitstisch und baut die erste Behausung, um sich in der Nacht vor Zombies und Spinnen zu schützen. Ausgehend von seiner Hütte fängt man nachts (um die Wartezeit zu überbrücken) an entweder in einen dahinterliegenden Berg oder einfach in die Erde zu graben und findet dort neue Ressourcen, kann damit neue Werkzeuge basteln und dadurch die Hütte zu einem ordentlichen Haus transformieren. Und schon ist nicht nur die Nacht, sondern auch der darauffolgende Tag vergangen – genauso verläuft es auch mit der tatsächlichen Zeit: Während man verbissen nach neuen Materialien gräbt und dabei die virtuelle Welt erkundet, merkt man oft gar nicht, wie die Zeit und damit auch einmal ein kompletter Abend im Nu vergeht.

Das stellt zumindest eine der populären Spielweisen dar: Niemand wird gezwungen, so vorzugehen – böse Monster lassen sich auf Wunsch deaktivieren, die Ressourcen werden im „Creative“-Modus für den Spieler schon bereitgestellt und der Multiplayer-Modus macht Schluss mit der Einsamkeit. „Minecraft“ ist wie eine Schachtel Lego, bei der man die (in dem Fall unendlich vielen) Bausteine zur Verfügung gestellt bekommt und dann der eigenen Fantasie freien Lauf lässt. Der Platz ist dabei wie die Ressourcen komplett unbegrenzt. Damit beendet „Minecraft“ eine Tradition der künstlichen Begrenzungen, die ihren Ursprung bereits in den Spielen der 70er-Jahre hat. Ausgelöst durch die damaligen Speicherbegrenzungen war eine Spielwelt immer eingeschränkt, sogenannte „invisible walls“ finden sich aber auch in aktuellen Titeln, selbst in solchen, die für ihre (Bewegungs-)“Freiheit“ gelobt werden.

An dieser Stelle sei auch die eher ungewöhnliche Entwicklung des Spiels erwähnt: Erst Mitte Oktober offiziell erschienen, war Minecraft bereits seit 2009 in einem offenen Entwicklungsprozess, den die Spieler beeinflussen konnten. Viele Ideen, die bis zur finalen Version umgesetzt wurden, haben in Forenposts ihren Ursprung, alle paar Wochen wurde eine neue Beta-Version veröffentlicht. Das Entwicklerteam, das anfangs nur aus Markus Persson („Notch“) bestand und sich zu einem überschaubaren Personenkreis entwickelte, hat sich aktiv mit der Community auseinandergesetzt und dabei versucht, möglichst vielen Wünschen entgegenzukommen. Auch auf einen aufwändigen Kopierschutz wurde verzichtet – trotzdem wurden mittlerweile mehr als eine Million Kopien verkauft.

Es bleibt zu hoffen, dass die Entwickler ihrem Kurs treu bleiben und bei etwaigen Weiterentwicklungen (die derzeit in Richtung „Rollenspielelemente“ geht) bedenken, dass ihr Spiel bisher keine Regeln oder Grenzen aufgezwungen hat und damit sicher auch maßgeblich zum Erfolg beigetragen hat. Eines steht fest: „Minecraft“ hat trotz Retro-Charme und eines Budgets mit dem Bruchteil eines AAA-Titels die Spielewelt vielleicht nicht komplett revolutioniert, aber auf jeden Fall einen großen Schritt vorangebracht und damit den Grundstein für ein Genre gelegt, bei dem die Spieler und ihre eigenen Ideen im Mittelpunkt stehen.

Plattform: PC (Version getestet), Mac, iPhone, Android (Pocket Edition), Xbox 360 folgt 2012, Spieler: 1 (lokal), 2 – ca. 30 (online)